«Wir müssen radikal denken und alles in Frage stellen»
Mover:
Peter Staub ist CEO von pom+ Consulting mit Hauptsitz im Technopark Zürich sowie Niederlassungen in Basel, Bern, Lausanne, St. Gallen und Frankfurt. Das Team besteht aus über 80 Mitarbeitenden. (Bild: Michele Limina)
Dieser Artikel ist im Rahmen der NZZaS-Verlagsbeilage «Zukunft Bauen» erschienen. Inhalt realisiert durch NZZ Content Solutions in Kooperation mit Brand Relations. Hier geht es zu den NZZ-Richtlinien für Branded Content.
Wie stehen Sie selbst zur digitalen Transformation?
Peter Staub: Ich habe mich vor 25 Jahren an der ETH zum Bauingenieur ausbilden lassen, habe dann aber nie gebaut, sondern bin direkt mit der damals auf-kommenden Informatik und Software-Entwicklung in Kontakt gekommen. Über ein Forschungsprojekt bin ich später an die ETH zurückgekehrt. Es ging darum, Daten im Bauprozess besser zu verarbeiten und in der Nutzungsphase wieder zu verwenden. Dieses Thema ist heute noch brandaktuell. Mit BIM ist nun eine brauchbare Technologie vorhanden. Wir hatten damals die Konzepte, die Ansätze, die Methodik und die Ziele, jedoch nicht die Technik. So bin ich immer am Thema drangeblieben, habe später von Digital Finance gelesen und diesen Ansatz als einer der ersten in unserer Branche in Digital Real Estate übertragen. Ich würde mich als Shaker bezeichnen, weil ich früh Inputs in die Branche eingebracht habe. Aber ich bin auch ein Mover, weil ich Unternehmen helfe, die Transformation umzusetzen.
Welche Bedeutung hat bei pom+ die Digitalisierung bei der Beratungstätigkeit?
Bei unseren Leistungen haben wir die Gesamtstrategie neu ausgerichtet auf die Unterstützung durch die Digitalisierung und darum herum neue Leistungen ent-wickelt. Dazu gehört unter anderem die Innovation Engine, mit der wir den Markt scannen und schauen, welche Trends und spannenden Start-ups für Unternehmen relevant sind. Ein mehr datenorientiertes Produkt ist der FM Monitor, der als Webservice Kosten-, Flächen- und Leistungskennzahlen enthält. Zudem überlegen wir uns, was mit Consultant 2.0 oder 4.0 passiert. Auch wir müssen immer radikal denken und uns hinterfragen: Wie könnte man uns durch die Digitalisierung ersetzen?
Was ist dabei Ihre Rolle als Chef?
Bei uns gab es zwei Phasen. Initiiert habe ich die Digitalisierung selbst, habe mich entsprechend weitergebildet und die ersten Netzwerke aufgebaut. Jetzt ist bei uns die interne Transformation im Gange, bei der andere den Lead übernehmen. Verschiedene Teams, die wir intern entwickeln, sind mit dieser Aufgabe befasst.
Was alles macht die Digitalisierung im Real Estate aus und was treibt sie an?
Zentral für uns ist, dass wir die Daten jederzeit und überall mobil zur Verfügung haben und damit arbeiten können. Mit der Einführung des 5G-Standards wird es noch besser. Im Gebäudebereich reden wir da etwa von Sensorik, die Din-ge quasi intelligent macht. Das heisst, sie kann selbst gewisse Aktionen auslösen. Räume werden mit Sensoren ausgerüstet, die erfassen, ob eine Buchung effektiv wahrgenommen wird. Bleibt der Raum leer, wird er automatisch wieder freigegeben und steht für andere Buchungen zur Verfügung. Das tönt banal, hat aber einen grossen Nutzen – energetisch, finanziell und organisatorisch. Richtig spannend wird es dann, wenn man aus den Daten lernen kann und sie nicht nur zum reinen Reporting nutzt, sondern für Prognosen mit künstlicher Intelligenz. Weiteres Potenzial ergibt sich aus dem Sharing-Gedanken, wenn sich verschiedene Firmen in einem Gebäude gewisse Räume teilen und die Auslastung so optimieren. Wir selbst haben bei pom+ eingeführt, dass niemand mehr einen fixen Arbeitsplatz hat. Sonst hätten wir gar nicht mehr wachsen können. Dank einer Messung haben wir festgestellt, dass mein ehemaliges Büro nur zu 18 Prozent belegt war. Entweder war ich auswärts oder in Sitzungszimmern. Dieser Umstand gab den Anstoss, das Sys-tem zu ändern.
Wo sehen Sie Chancen für Ihre Branche?
Die Digitalisierung bietet für Immobilien dann immense Chancen, wenn sie nicht Selbstzweck ist, sondern den Mieter und Nutzer und seine Bedürfnisse ins Zentrum stellt und Prozesse vereinfacht durch Übernahme und Automatisierung repetitiver Tätigkeiten. Um diesen Fokus konsequent umzusetzen, muss aber zu-erst die Datenlage bereinigt oder aufbereitet werden. Ein Problem ist, dass es von älteren Gebäuden oft nur wenige oder gar keine Daten gibt, denn die Bereitstellung und Aktualisierung von Daten wurde bisher mehrheitlich stark vernachlässigt. Wenn man rückwirkend et-was digitalisieren will, muss man Nutzen und Verwendungszweck gut abklären, denn das kann teuer werden.
«Ich bin ein Mover, weil ich Unternehmen helfe, die Transformation umzusetzen.»
Also muss man einfach Daten sammeln?
Nur mit dem Erfassen der Daten ist es nicht getan, sie müssen auch im «Life Cycle» – also während der Planungs-, Bau-, Nutzungsphase bis hin zum Abbruch – laufend aktualisiert werden. Ohne eine gute Datenbasis kann man keine digitalen Geschäftsmodelle implementieren. Das betrifft alle Beteiligten im Management von Immobilien: Der Portfoliomanager kann damit die Qualität der Investmententscheidungen verbessern, der Bewirtschafter kann sich von mühsamem Papierkram entlasten, und der Facility Manager kann die Gebäude besser betreiben. Zu guter Letzt profitieren Mieter und Nutzer von guten Daten, indem sie beispielsweise ihre Wasser- und Energieverbräuche besser erkennen und optimieren können.
Sind auch Gefahren da?
Ich sehe viel mehr Chancen als Risiken, denn was heute zum Teil noch in grossen Teilen der Branche abläuft, ist Steinzeit. Gefahren sehe ich am ehesten beim Datenschutz und -missbrauch. Zudem steigt die Abhängigkeit von Firmen, die mit Daten umgehen können. Und die ganze Entwicklung kann hohe Kosten mit sich bringen.
Welche Interessen stehen dahinter?
Auf der einen Seite haben Investoren, Bauherren, Bewirtschafter, Facility Manager und Vermarkter ein veritables Interesse an digitalen Fortschritten und da-mit verbundenen Effizienzsteigerungen. Investoren haben zum Teil ein grosses Datenportfolio und überlegen sich, was sie damit machen wollen, um Prozesse zu verbessern und neue Geschäftsmodelle aufzusetzen. Das Stichwort hier ist «Building as a Platform». Zum Beispiel kann man das Mieterverhalten analysieren und daraus die Nachfrage nach der Wohnform ableiten. Oder man kann mit intelligenten Algorithmen herausfinden, welche Services die Mieter nachfragen, oder Prognosen erstellen, wohin sich der Markt entwickelt. Bei den Bewirtschaftern geht es mehr um «Service on Demand», schnell und spezifisch nach Be-darf. Das wirkt sich auch positiv auf die Nachhaltigkeit aus, indem weniger Ressourcen verbraucht und weniger Leistungen gefordert werden. Auf der anderen Seite ist es die Proptech-Szene mit Start-ups, die neue, innovative Anwendungen entwickeln und auf den Markt bringen. Sie wirken in erster Linie als Shaker und zeigen auf, was effektiv machbar ist!
Welche kurz- oder mittelfristigen Agenda-punkte gibt es?
Die erste Phase der Digitalisierung, in der man es spannend fand, einzelne «Use Cases» – also Anwendungsfälle wie einen schlüssellosen Zugang – zu implementieren, ist vorbei. Es wird zukünftig darum gehen, die verschiedenen digitalen Angebote auf Plattformen zu bündeln. Wir nennen das plattformbasierte Ökosysteme, in denen auch Blockchain eine zentrale Rolle einnehmen wird. Die wichtigste Aufgabe dabei ist es, Daten wie Grundrisse, Flächen, Anlagedaten usw. so zu managen, dass sie konsistent sind. Ein aktueller Ansatz dazu ist der «Digital Twin» von Bauwerken. Da sind alle Informationen vereint, die in der Nutzungsphase von verschiedenen Beteiligten gebraucht werden. Das ist die grosse Welle, die auf uns zurollt. Die Firma Schindler investiert hier im grossen Stil und hat mit Building Minds ein hochinteressantes Start-up lanciert.
Ist diese Entwicklung auch für die Nachhaltigkeit von Belang?
Durch digitale Plattformen kann man generell den Ressourcenverbrauch reduzieren. Es fängt an beim Flächenkonsum durch Sharing-Modelle und geht bis zur Minimierung von energetischen Ressourcen. Durch flexible Bürolösungen, mehr Homeoffice-Anteil und Skype-Konferenzen müssen die Mitarbeitenden weniger herumreisen. Oder es wird gemessen, wie viele Personen im Gebäude sind, und davon ausgehend wird die Anzahl Menüs in der Kantine zubereitet, um «Food Waste» zu verringern und den Ressourcenverbrauch anzupassen.
Wie nehmen Sie die Zukunft konkret in Angriff?
Wir erstellen im Moment viele Digitalisierungsstrategien und zeigen den Kun-den auf, welche Trends, Technologien und digitale Unternehmen es gibt. Dabei müssen zwingend Schwerpunkte basierend auf dem Nutzenpotenzial festgelegt werden, um sich in den vielen Themen nicht zu verlieren. Des Weiteren begleiten wir insbesondere den Umsetzungsprozess, bei dem die Sicherstellung der Qualität der Datenbasis jeweils ein zentraler Punkt ist. Es ist uns aber auch immer wichtig, zur Weiterentwicklung der Branche beizutragen. So veranstalten wir jährlich einen grossen Kongress, den Digital Real Estate Summit, und haben den Stu-diengang «Digital Real Estate» am Institut für Digital Business der Hochschule für Wirtschaft in Zürich (HWZ) aufgebaut. Im August startet der dritte Lehrgang.
Seine Visionen 2050: Peter Staub
Bauen: Für Gebäude – den effektiven Bedürfnissen entsprechend – wird von einem Roboter ein Standort gesucht und dort ein Bauwerk komplett digital entwickelt. Gleichzeitig werden die zukünftigen Nutzungsszenarien und -prozesse, Lebenszykluskosten, Erträge sowie Rendite und Nachhaltigkeitsindex evaluiert. Investoren können verschiedene Szenarien simulieren, die beste Variante auswählen und auf einer Plattform die noch zusätzlich erforderlichen Planer beauftragen, das Modell weiterzuentwickeln. Auch der anschliessende Bauprozess erfolgt massgeblich robotikunterstützt. Im Verlauf des Bauprozesses ist ein digitaler Zwilling entstanden, der sich auf einer Plattform einloggt und sich zur Vermarktung freigibt sowie mit Interessenten verhandelt.
Wohnen: Menschen, die Wohnraum suchen, können aus einem breiten Spektrum an Wohnformen auswählen. Es wird möglich sein, sich je nach Lebenssituation zu entscheiden, ob man mit anderen Menschen zusammenleben will in dafür konzipierten Co-Living-Lofts, ob man auf sehr kleinen Flächen wohnen will, beispielsweise in einem Tiny House, ob man die Wohnung alle zwei Wochen wechselt will usw. Auch der Technologiestandard kann unterschiedlich gewählt werden, und dank Plattformen werden Mietverhältnisse maximal flexibilisiert. Intelligente Wohnungen melden sich auf einer Plattform bei passenden Usern und verrechnen sich abhängig von der Nutzung und Dauer.
Leben: Das Leben wird geprägt sein von zunehmender Polarität zwischen virtuell und analog. Digitale Technologien werden in den Hintergrund rücken und teilweise kaum mehr offensichtlich wahrgenommen, und die Lebensqualität nimmt dadurch stetig zu. Man erkennt sofort Personen, kann sich problemlos überall orientieren und weiss über die Umgebung jederzeit bestens Bescheid. Leute werden mit allem kommunizieren, nur nicht mit dem Menschen nebendran. Die persönlichen Daten verkauft man über Plattformen und erhält dafür kostenlose Services im Netz. Ähnlich zum früheren Trend zu Wellness-Hotels wird es Digital-Detox-Hotels geben, in denen die Leute lernen, ohne Handys zu leben und mit anderen Menschen zu sprechen.